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Herbstzeit – Igelzeit

Herbstzeit- Igelzeit  von Karin Oehl

Es ist kaum zu übersehen – der Herbst ist da, das Laub fällt von den Bäumen und auch die Früchte , Eicheln, Kastanien, Bucherckern etc.

In dieser Zeit erscheint in allen Medien das Thema I G E L .

Leider sind die Beiträge oft arg verkürzt oder nicht zutreffend Das ist wenig hilfreich.
Gern werden auch die aktiven sogenannten Igelmütter als Igelretter vorgestellt
Sowas ist natürlich immer niedlich, wenngleich leider für die Igel wenig hilfreich.
Der Igel war im Jahr 2009 das Wildtier des Jahres und ich denke, wir sollten uns ein wenig näher mit diesem kleinen heimlichen Kobold in unserem Umfeld beschäftigen.

Der Igel gehört zu den vom Gesetzgeber bes. geschützten Wildtieren, das nützt dem Igel leider gar nichts.

Seit vielen Jahren ist der Igel ein Sympathierträger, obwohl es kein Kuscheltier ist.
Die Sympathie für ihn begann bereits mit der komikartigen Fortsetzung einer Igelgeschichte von Micki und Mecki in einer großen Programmzeitschrift in meiner Kinderzeit

In den 70iger Jahren rief der sehr bekannte und beliebte Direktordes Frankfurter Zoos Prof Grzymek in seiner Sendung Ein Platz für Tiere , zum Igelschutz auf, er trug auch immer die Krawatte mit einem Igel drauf.

Das tat er aus gutem Grund, denn in dieser Zeit des starken Baubooms, also der raschen Zersiedllung unserer Landschaften, aber auch des sorglosen Umganges mit Giften gegen Insekten und die sogenannten Unkräuter – und es wurde viel gespritzt- begann es dem Igel wirklich sehr schlecht zu gehen.
Wildkräuter sind die Kinderstube und Nahrung der Insekten – also der Futtertiere der Igel

Leider versäumte Prof. Grzymek zu erklären, wie sinnvoller Igelschutz auszusehen hat.
Damit begannen viele gut gemeinte , leider nicht wirklich qualifizierte Hilfsmaßnahmen bis hin zu richtigen Einsammelaktionen.
Leider sprach Prof. Grzymek nur von untergewichtigen Igeln im Herbst, (das geschieht heute noch immer wieder )

Er differenzierte nicht, warum es zu Untergewicht kommt, Man ging nur vom herbstlichen Nahrungsmangel aus.Das ist so nicht richtig.
Die Nahrungspalette des Igels verändert sich im Jahreslauf, aber solange es nicht friert, ist für ihn immer noch was zu finden.

Er versäumte es, klar zu unterscheiden zwischen hilfesbedürftigen kranken Igeln und gesunden Tieren.

Noch heute spuken in allen Köpfen die berühmten 600 g. die ein Igel für den Winterschlaf auf die Waage bringen muss.
Hier geht es um ein Gewicht von Jungtieren – erwachsene Tiere können u. dürfen gern mal 1200 – 1500 g auf die Waage bringen.
Nun, wir haben Wurfzeit bis in den September hinein und kein Igel wird mit 600 g geboren bzw hat sie bereits Anfang Oktober, wo die Aufmerksamkeit für den Igel stark steigt.

Damals wusste man noch nicht viel über Igel, es gab wenige ungenaue Veröffentlichungen, gehörte er doch weder zum jagbaren Wild noch zu den Nahrungstieren, also wurde die Forschung über ihn vernachlässigt.

Es schossen in dieser Zeit sogenannte Igelstationen aus dem Boden.
Bis heute ist dies kein geschützter Begriff, jeder , der Igel aufnimmt, kann sich so nennen und meistens wird gar nicht nach Qualifikation gefragt.

Und noch immer werden viel zu viele Igel in Laienhänden mit guter Absicht, aber leider mangelnder Sachkunde totgepflegt.

Der Igel, obwohl er das am meisten in den Tierarztpraxen vorgestellte Wildtier ist, ist bei Tierärzten noch immer ein wenig bekannter und geschätzter Patient. Er bringt Flöhe in die Praxis, aber wenig “Mäuse”.Durch seine Art, sich zusammen zu rollen, ist es auch kein kooperativer Patient
Außer im Fach Parasitologie wird über die Besonderheiten des Wildtieres im Studium noch immer nichts vermittelt.
Eine Anlehnung an bewährte Behandlungsschemen für Hund und Katze wird dem Wildtier Igel nicht gerecht.

Inzwischen beginnt sich durch Igelschutzvereine und vor allem dem als Dachverband sehr intensiv informierenden Verein Pro Igel e.V, etwas zu ändern.

Damit sich weiterhin etwas zum Wohle der Igel, die es seit der Kreidezeit in fast unveränderter Form gibt und die wirklich in unserem Umfeld Not leiden, positiv verändert, möchte ich mit meinem Vortrag etwas beitragen.

Der Gesetzgeber hat das WILDTIER Igel unter den besonderen Schutz gestellt.
Es darf nicht getötet und verjagt werden, nicht gestört und auch nicht ins Haus genommen werden so zum Spaß.

Allerdings sieht der Gesetzgeber Ausnahmen vor, wenn das Tier krank, verletzt oder ein verwaistes Baby ist.

Dazu ist es allerdings notwendig, neben gutem Willen Sachkunde mitzubringen oder sich an sachkundige Stellen zu wenden, denn keine Krankheit heilt durch Futter und Unterkunft.

Außerdem ist Krankheit und Verletzung wahrlich nicht an Jahreszeiten oder Grammzahlen gebunden.

Also ist nicht der Herbst allein Igelzeit. Notleidende Igel gibt es zu jeder Jahreszeit.

Ich möchte einmal die wichtigsten Unterscheidungserkmale deutlich machen

Gesunde
Igel sind dämmerungs u. nachtaktive Tiere, die man am Tag kaum einmal zu Gesicht bekommt.
Ihre Körperform ist tropfenförmig – vorne spitze und hinten rund
Sie haben halbkugelförmige dunkle Knopfaugen und eine freuchte Nase.
Igel schätzen ab, ob bei Gefahr die Zeit reicht, hochbeinig und oft überraschend schnell davonzulaufen oder ob sie sich zu einer festen Kugel zusammen ziehen, die erst dann wieder geöffnet wird, wenn die Gefahr vorbei ist.
Die Stacheln werden kreuz und quer aufgestellt.
Der Kot gesunder Igel sind dunkle feste Würstchen.
Die Körpertemperatur der Tiere ist warm, wie beim Menschen

Wem am Abend ein solches Tier begegnet, möge sich freuen und es seiner Wege ziehen lassen, auch wenn man im Herbst das Gefühl hat, dass es noch klein ist.
Wir wissen heute, dass die Wurfzeit bis in den September hinein geht und die Igel im Oktober nicht auf Grund ihres geringen Gewichtes in Menschenhand gehören. Sie können bis zum Frosteinbruch bei guten Bedingungen noch wöchentlich bis zu 50 g zunehmen. Ein Zufüttern zB. mit Katzenfutter, dem einige Tropen Öl beigemischt werden, sowie ein wenig Kleie, hilft gegebenenfalls auch.

Wenn allerdings am Tag oder nach Frosteinbruch noch Igel herumlaufen, die ein Gewicht von unter 500 g haben, dann sollte man sie hereinnehmen, denn das sogenannte und immer wieder unklar beschriebene Untergewicht hat Gründe,

Solche Tiere sind krank und behandlungsbedürftig –
Man sollte sich die Tiere ganz genau anschaun.

Darum beschreibe ich hier auch einmal die Erkennungsmerkmale des kranken Igels, wie es auch Bilder in Bilder in der Ausstellung sehr deutlich machen

Der kranke Igel
Wird vorwiegend am Tag gefunden, oft ohne Deckung liegend
Oder er läuft langsam und wackelt auch schon mal auffallend
Seine Körperform ist eher walzenförmig und oft erkennt man im Nacken eine deutliche Delle, den Halsansatz, den man beim gesunden Igel gar nicht sieht.
Wenn man ihn hochnimmt, rollt er sich kaum ein und schnell wieder aus.
Seine Augen werden oft gar nicht oder nur schlitzförmig geöffnet.sie stehen nicht hervor, sondern liegen tief in den Augenhöhlen
Die Nase ist meist trocken
Die Körpertemeratur ist häufig auffallend kühl
Die Stacheln bleiben auch angelegt oder werden kaum fest aufgestellt.
Der Kot ist weich, gelegentlich grünschleimig und manchmal sogar blutig.
Häufig versammeln sich dicke Fliegen auf dem Igel und legen auf ihm ihre gelblichen Eierpakete ab, aus denen rasch Maden ausschlüpfen, die am Igel fressen
Oder er hat viele Zecken , die wie kleine glänzende Kugel aussehen, Auch davon gibt es in der Ausstellung ein Foto.

Verletzte und Kranke Igel brauchen ganzjährig unverzüglich sachkundige Hilfe
Futter und Unterkunft heilen keine Krankheit
Die Grammzahl kranker Igel ist völlig nebensächlich.

Achtung:
Wer ein krankes Tier anfasst, muss darauf achten, dass er danach sehr gründlich mit Wasser und Seife seine Hände wäscht, denn einige Erreger können auch den Menschen infizieren, (z. B. Salmonellen, Eitererreger. Meist ist dies ausreichend um sich vor Infektionen zu schützen.Besser ist es jedoch, Igel mit Handschuhen oder einem Tuch aufzuheben.

Wer nach Frosteinbruch noch einen Igel laufen sieht, der unter 500 g auf die Waage bringt, kann sicher sein, dies Tier ist hilfsbedürftig, meist krank. Diese Tiere haben nicht die nötigen Fettreserven, um den Winterschlaf zu überstehen. Denn von den vorhandenen Fettreserven gehen in dieser Zeit 20-40 % verloren. Dieser Winterschlaf ist ja kein Schlaf, wie wir ihn täglich erleben, sondern ein Herunterfahren aller Körperfunktionen –Statt eines Herzschlages von ca 180 Schlägen pro Min, sind es nur noch 8 Schläge in der Minute, die Körpertemperatur sinkt von 38 auf 5 Grad ab, die Atmung wird sehr selten (3-4 mal nur statt 40-50 mal
Das alles ist für den Igel wichtig, denn als Insektenfresser würde er im Winter keine Nahrung finden. Mit dem Winterschlaf haushaltet er mit der Energie, die er im Laufe des Sommers aufgenommen und im Herbst gespeichert hat. Aus diesem Schlaf zu erwachen dauert im Frühjahr Stunden. Dazu wird das an den Schultern gespeicherte Fett als Energie genutzt.(Darum können Igel ja auch aus angezündeten Osterfeuern z. B. nicht einfach weglaufen. Es dauert zu lange, bis sie gehfähig sind. Bis dahin sind sie verbrannt!)

Wußten Sie übrigens, dass es die Männchen sind, die als erste aus dem Winterschlaf erwachen? Die haben noch weite Wege zurückzulegen, um ausreichend Nahrung zu finden und natürlich dann auch Weibchen, denn sie müssen ihr Erbgut an möglichst viele Weibchen verteilen.
Es sind auch die ersten, die im Winterschlafquartier verschwinden, leider auch die ersten, die wir plattgefahren auf den Straßen finden.

Später erwachen die Weibchen. Sie müssen sich auch zuerst neue Reserven anfuttern, denn sie sind es ja, die dann ihre Babys um die 36-37 Tage austragen, gebähren und aufziehen müssen.
Das geschieht in der Regel im Juni bis in den September hinein.
Selten wird schon im Mai von Igelwürfen berichtet, das gilt für das milde Rheinland schon mal ausnahmsweise.
Pro Igel hat über die Wurfzeiten über Jahre hinweg Informationen gesammelt und ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass es die immer wieder beschriebenen Zweitwürfe praktisch nicht gibt.

Die Igelweibchen bekommen ihre Jungen übrigens auch nicht im Jahr nach ihrer Geburt, sondern erst im 2. Lebensjahr.

Die noch jungen Igel sind die letzten, die in den Winterschlaf gehen. Sie laufen oft noch wirklich bis zum Frosteinbruch herum auf der Suche nach Nahrung.
Der Igel hat eine hohe Vermehrungsrate – die jungen Weibchen bekommen noch nicht so viele Junge, wie die erfahrenen Weibchen, so sind die Wurfstärken von 2 – 7 Jungtiere durchaus normal.

Leider haben Igel auch eine hohe Verlustrate. Sehr viele Jungigel verlieren ihr Leben bereits in den ersten Wochen und noch einmal viele im 1. Winterschlaf. Auch die Nester werden noch nicht so professionell wie bei erfahrenen Igeln gebaut.

Die Verluste sind längst nicht alle der Art, daß wir von natürlicher Auslese sprechen könnnen.

Wenn wir uns die Ausstellung einmal anschaun, dann sehen wir Bilder von einer Landschaft, in der sich Igel noch wohlfühlen und ihrer Art entsprechend leben können.

Aber schon auf dem nächsten Bild sehen wir Bilder , wie es in meinem Umfeld heute aussieht – also kein Lebensraum mehr für Igel ist.

Was bleibt dem Igel übrig, wenn er überleben will?
Er wird Kulturfolger und zieht in unsere Nähe, unsere Gärten.

Auf dem Weg dahin ist er bereits der Gefahr ausgesetzt, überfahren zu werden, denn seine Rüstung, das Stachelkleid schützt ihn nicht davor , vom Auto getötet zu werden.

Auch in unserm Garten findet der Igel nicht das Paradies.

Häufig haben wir gedankenlos viele Pflanzen dort eingesetzt, die uns gefallen, hier gedeihen.. Wir haben nicht berücksichtigt, dass diese Pflanzen aus ganz anderen Lebensräumen kommen und für die heimische Insektenwelt weder Nahrung noch Kinderstube bieten.
Die heimischen Pflanzen werden als unerwünschte Unkräuter ausgerissen und vernichtet.
Nun fehlen in der Nahrungspalette des Igels aber die auf die Wildkräuter angewiesenen Insekten
Also bleibt dem Igel nur der Rückgriff auf Würmer und Schnecken.
Das aber sind die Zwischenwirte seiner Innenparasiten.
Ein stark verwurmtes Tier wird schwach und krank und erreicht sein biologisch vorgesehenes Lebensalter , das früher mal annähernd 10 Jahre betrug, heute nur noch ca 4 , nicht mehr.

Igel beanspruchen für sich nicht ein markiertes und begrenztes Revier.
Sie haben mehrere liederlich gebaute Schlafnester und wenn sie erwachen in der Dämmerung gehen sie auch nicht auf Jagd, sondern auf die Suche und fressen das, was sich anbietet, das sind dann auch schon mal tote Mäuschen oder aus dem Nest gefallene Vögelchen oder Katzentöpfe (Wer weiß, wie lange die schon in der Sonne gestanden haben und von Bakterien besiedelt sind?)
So erkranken viele Igel und sterben.
Wenn der Igel satt ist, sucht er einen Schlafplatz auf, geht um Mitternacht noch einmal auf die Suche und dann noch einmal in der Morgendämmerung

In einer qualfizierten Igelstation kann man in Zusammearbeit mit Tierärzten kranken oder verletzt gefundenen Tieren häufig noch eine 2. Chance zum Leben geben
Die Prämisse unserer Arbeit dort ist immer das in Freiheit überlebensfähige Wildtier wieder in die Freiheit zu entlassen, möglichst an den Ort, wo es gefunden wurde, denn Igel haben ein gutes Ortsgedächnis.
Allerdings sind mache Fundorte für die Auswilderung einfach ungeeignet. (Bauland, Straßennähe etc.)

Unsere Gärten bieten noch andere Gefahren, über die wir so gar nicht nachdenken.
Da sind schadhafte Zäune, die zu Verletzungen führen,
Teiche mit steil abfallenden Rändern ohne Ausstiegshilfen für Igel.
Wir setzen immer noch Gifte ein,
Es werden noch immer Gartenfeuer gemacht, ohne das Material vorher umzusetzen,.
Unsere Gartengeräte , besonders zu nennen sind Laubsauber und Rasentrimmer, also Fadenmäher, verletzten Igel oft schwer, Manchmal werden sie erst gefunden, wenn sie schon sehr elend sind und sich auf ihren infizierten Wunden viele Maden herumtummeln.

Ein wenig Achtsamkeit , also nicht in den Kompost hineinstechen, nicht ohne nachzuschaun unter Büschen mit dem Trimmer mähen, würde schon helfen.

Auch Schächte, Gruben sind abzudecken, Sehr häufig fallen Igel hinein und kommen nicht wieder raus. Wenn sie gefunden werden, ist es oftmals zu spät.
Und natürlich würde achtsames, nicht zu schnelles Autofahren, besonders in den Zeiten, in denen mit herumlaufenden Igeln zu rechnen ist, viele Igelopfer vermeiden.
Besonders vorsichtig sollten wir in Ortsrandlage sein.

Gern stehe ich Ihnen noch für Fragen zur Verfügung bes. natürlich für die Frage – was mache ich denn, wenn ich einen Igel finde, von dem ich glaube, dass er Hilfe braucht.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig dazu beitragen, dass Sie unseren heimlichen Mitbewohnen besser kennen lernen konnten.

Igel gab es schon, als die Saurier unsere Erde verließen. Wir finden sie sympatisch, also tun wir doch alle etwas dafür, dass sie eine Überlebenschance in unserem Umfeld haben.

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